Ein freundliches Wort in der Not: soooo wichtig…


Ich habe vor ein paar Tagen die sehr wertvolle Erfahrung gemacht, mich als Helfer einmal „auf der anderen Seite“ wiederzufinden und selbst Hilfe zu benötigen – auch wenn der Anlaß geringfügig war, die Erfahrung zu machen, wie haltgebend sich ein freundliches Wort anfühlt, wenn man gerade völlig aufgelöst ist - unbezahlbar.

Als ich am Montag Morgen von einer Fortbildung in London zurückfuhr, begann der Tag bereits mit Hektik und Stress. Da in in der Rush-Hour drei Stunden (!) benötigte, um überhaupt auch nur aus London herauszukommen, war bereits klar, dass ich in Dover meine Fähre verpassen würde. Dementsprechend war ich auch nicht ganz bei der Sache, als ich auf dem Fährgelände die Paßkontrollen absolvierte – meine gesamten Papiere (Ausweis, Führerschein, Fährticket, Kreditkarten, Fahrzeugschein…) lagen noch auf dem Motorrad, als ich Helm und Handschuhe wieder anzog um durch das weitläufige Einbahnstraßensystem zum Check-In der Fähre weiterzufahren. Und dort fiel es mir dann auf – dass die Papiere irgendwo auf dem Labyrinth zwischen Paßkontrolle und Check-In vom Motorrad gefallen waren. Und wegen dem Einbahnstraßensystem war es nicht möglich, einfach zurückfahren und sie zu suchen.

Der Gedanke, plötzlich ohne Papiere im Ausland auf dem Fährgelände festzusitzen, führte fast zu einer Panik – ich war völlig aufgelöst. Klares Denken, besonnenes Handeln wäre rückblickend und von außen betrachtet so einfach gewesen – aber war mir in jenem Moment einfach nicht möglich. Ich war komplett durch den Wind. Ich irrte panisch auf dem Gelände herum, und natürlich dauerte es nicht lange bis mich ein streng aussehender Sicherheitsbeamter stoppte. Vor Schreck wie gelähmt, war ich nur am Stammeln, weil mir in der Aufregung die passenden englischen Vokabeln nicht einfielen – was meine irrationale Panik noch verstärkte. Ich stand wie neben mir.

Ich werde nie vergessen, wie dankbar ich war, als der Sicherheitsbeamte mit großer Geduld und Freundlichkeit reagierte, mich beruhigte, mir versicherte dass wir die Papiere schon finden würden, per Funk seine ganzen Kollegen informierte und mich mit dann mit ganz viel guter Zusprache durch das Labyrinth des Hafengebietes nach draußen schickte, denn wegen dem Einbahnstraßensystem mußte ich durch diverse Sicherheitskontrollen erst mal wieder komplett raus aus dem Gelände, um dann erneut (und ohne Papiere!) die Ausweiskontrollen zu passieren.
Er hatte aber allen bereits Bescheid gesagt, alle waren informiert und sehr freundlich und wünschten mir viel Erfolg bei der Suche nach den Papieren – die ich dann schließlich auch fand.

Als ich schließlich erschöpft und erleichtert beim Check-In der Fähe ankam und kurz die Situation schilderte, war mir offensichtlich immer noch anzusehen, wie sehr mir der Schreck noch in allen Gliedern saß. Und auch die Fährmitarbeiter reagierten mit großer Freundlichkeit: ich bekam nicht nur problemlos einen Platz auf der nächsten Fähre, sondern auch noch ein Upgrade auf die erste Klasse geschenkt, damit ich erst mal wieder zur Ruhe kommen konnte.

Die Hilfsbereitschaft und Freundlichkeit der Menschen hat mir in dieser Situation so gut getan, und ein ganz tiefes Gefühl von Dankbarkeit bewirkt, das wohl einen bleibenden Eindruck bei mir hinterlassen wird.
Ich war also einmal „auf der anderen Seite“ gewesen – und habe erlebt, wie es sich anfühlt, was ich in meinem Beruf – sei es als Notärztin, sei es als Psychotherapeutin – tagtäglich versuche: Aufgelösten Menschen in einer psychischen Ausnahmesituation freundlich und geduldig Mut zuzusprechen und sie zu beruhigen. 
Ich habe nun selbst erlebt, wie hilflos und angespannt man sich als Betroffener in einer Situation fühlen kann, die einen einfach überfordert, und wie unglaublich dankbar man dann für ein freundliches Wort und geduldige Hilfsbreitschaft ist. Für den, der Hilfe leistet, mag die Situation harmlose Routine und die Reaktion des Betroffenen entsprechend übertrieben sein. Für den Betroffenen ist die Situation überfordernd, seine Angst sehr real und ein freundliches Wort wird dankbar aufgesogen und bewirkt so viel mehr als man denkt.
Ich werde in Zukunft darum noch bewußter und noch aufmerksamer mit Menschen in Notsituationen umgehen, und bin froh über diese Erfahrung auf der „anderen Seite“.